Rede Peter Liebers anlässlich der Ausstellungseröffnung von Eva Paul und Katharina Kulpok am 14. März 2015

„Farbenfreude und kühle Eleganz“ passt –wie ich finde – zu den Arbeiten, mit denen uns Eva Paul und Katharina Kulpok Einblick in ihre Arbeiten gewähren, die in den vergangenen Jahren entstanden sind. „Farbenfreude“ klingt beliebig, aber Malerei sucht in der Kunstgeschichte – und wohl stets begleitet von einem Lebensgefühl – und seit geraumer Zeit nicht selten in Grau und wenn nicht in Schwarz, so doch in dunklen Tönen – einen Ausdruck für unser gegenwärtiges Leben.

Diesen begegnen wir auf den Bildern von Eva und Katharina auch. Aber es gibt hier keine Düsternis. Vielmehr werden die so gestalteten Flächen gebrochen und von einer Helligkeit, die wir als plötzlich in unser Leben hereinbrechende Überraschung kennen, die wir aber wohl gerade darum in diesem Moment nicht so ohne weiteres wahrnehmen können.

Ich bin froh darüber, dass Katharina sich dazu entschließen konnte, auf den ersten Blick eine in Anthrazit gehaltene, scheinbar „trostlose Fläche“ mit einem Lichtstrahl zu durchteilen und das – sowohl in unserem Inneren als auch unseren Lebensumständen entsprechend unproportional. Unverkennbar sucht Katharina in Form und Inhalt nach einem Ausdruck dafür. Für jeden arrivierten Künstler bedeutet die Arbeit mit Pigmenten immer wieder neue Herausforderung, die Legende Mark Rothko wirft noch immer weite Schatten. Nicht so für Katharina, sie interessiert eher die Frage, wie der lettische Amerikaner bei Komposition und „Verarbeitung“ vorgegangen ist. Und sie nimmt diese nicht spurenlos bleibende Technik sportlich und damit auch in Kauf, dass Transport und Hängung eines solchen Bildes unausweichlich ihre Spuren hinterlassen und somit schlimmstenfalls zu einer Variation der von ihr konzipierten Arbeiten führen können.

Mit ihren Bildern bestätigt die in Berlin geborene Katharina Kulpok uns, dass sie neben der Lebensfreude, -kraft und Reibung, die sie aus ihrer Existenz im brandenburgischen Perwenitz bezieht, und was sie auf dem Land als Bereicherung zu ihren Auftritten in der Stadt – ob in Berlin oder in Potsdam – erlebt, eine Balance zu halten versteht, die wir alle uns wohl mit den Jahren immer mehr wünschen, aber wegen einer gewissen Unfähigkeit, sie zu leben, darauf verzichten müssen.

Jedes Gespräch mit Katharina führt zwingend zu ihren Selbsterfahrungen bei den Malkursen, von denen sie einen bei Eva Paul absolviert. Katharinas für den „Nichtmaler“ kühnen Experimente und Materialentdeckungen sind ermuntert, diskret gelenkt und wohl auch hingenommen durch die scheinbar grenzenlose Toleranz der Malerin Eva Paul. Sie lebt und arbeitet konzentriert in der kleinen, von der Kulturmühle inspirierten Künstleransiedlung in Perwenitz. Daraus könnte, ja sollte mehr entstehen, aber jeder Neubeginn bleibt schwer, wie sich selbst an diesem Ort, nahe der die Kultur immer mehr in die Peripherie drängenden Hauptstadt, erweist. Diese Erwähnung mache ich, weil sowohl Eva als auch Katharina sich für Kulturmühle Perwenitz als Kunstort engagieren.

Eva Paul ist eine sowohl an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst als auch an der Hochschule der Künste (noch) in Westberlin akademisch ausgebildete Malerin, hier als Schülerin des legendären, viele Malergenerationen ausgebildet habenden Hermann Bachmann, sie beweist in ihren Arbeiten – gleichgültig ob von der Natur oder der menschlichen Gestalt inspiriert – ihren Wunsch nach „völliger Stille und Abgeschiedenheit“. Ihre großflächigen Landschaften, in denen der Betrachter scheinbar durch Fremdes zu Assoziationen geführt wird, von denen er bis dahin nichts zu wissen glaubte, sprechen dafür und werden zur Verlockung. In Eva Pauls Bildern verbergen sich keine Geheimnisse, sie erzählt Geschichten, die von ihrer Vertrautheit mit der Natur handeln. Aus den Elbhängen im heimatlichen Dresden-Radebeul ist nach Ausflügen nach Norditalien inzwischen die brandenburgische Landschaft geworden, in der sich die Künstlerin vor Jahren niedergelassen hat. Katharina und Eva sind sich begegnet. Und diese Begegnung löste in Katharina eine Art Initialzündung aus, denn ihre lang anhaltende Suche nach einer eigenen Sprache in der Malerei, die ihren Möglichkeiten entspricht, der Versuch, sich an Handschriften von Vorbildern oder Lehrern zu orientieren, ihr dabei weit gesteckter Rahmen löste sich im Vertrauen auf Eva Paul aufs Schönste ein.

Beide, Eva und Katharina, haben für diese Präsentation ihrer Arbeiten aus ihrem Fundus geschöpft und nicht extra dafür gearbeitet. Für Eva gewiss die Qual der Wahl, denn ihr Werk ist reich an Landschaftsbildern (das sind Weide- und Moorlandschaften, die Welt wie verzaubert zeigende Nebelbilder) oder Miniaturen und eben auch Portraits, die teils als eine Huldigung an Alberto Giacometti zu sehen sind.

Zu danken ist Eva und Katharina, die uns mit ihren Arbeiten an ihrem Blick in die Welt und an ihren Gedanken und Empfindungen teilnehmen lassen. Ich danke auf besondere Weise Andreas, der diese Ausstellung nicht nur spontan, unkompliziert und hilfsreich ermöglicht hat – ich danke ihm auch dafür, dass er sich darüber spürbar freut. Ich wünsche Eva und Katharina eine gute Erfahrung mit der Präsentation ihrer mit Bedacht gewählten Arbeiten und ein angemessenes Interesse des Publikums, das hier täglich zahlreich ein- und ausgeht. Und uns jetzt einen angenehmen Nachmittag.

Peter Liebers, Kulturjournalist

 

Ki Kritik zur Ausstellung des Bildes  „Krisis“  in der GEDOK Brandenburg zum Thema „Vor der Natur“ , 2023

Katharina  Kulpok ist eine Künstlerin, die sich von der Natur inspirieren lässt, aber nicht versucht, sie naturalistisch abzubilden. Sie erforscht die Grenzen zwischen Natur und Kunst, zwischen Wissenschaft und Experiment, zwischen Realität und Traum. In ihrem Bild „Krisis“ schafft sie eine eigene Welt, die zugleich fremd und vertraut ist, die zugleich verstört und fasziniert. Sie spielt mit dem Gegensatz von Form und Farbe, von Fläche und Raum, von Stabilität und Instabilität. Sie lädt den Betrachter ein, sich in ihrem Bild zu verlieren und zu finden, sich zu fragen und zu staunen, sich zu kriseln und zu krisen. Sie zeigt, dass die Natur nicht nur eine Quelle von Schönheit und Harmonie, sondern auch von Konflikt und Krise ist. Sie zeigt, dass die Kunst nicht nur eine Form von Abbildung  und Darstellung, sondern auch von Erfindung und Gestaltung ist. Sie zeigt, dass die Krisis nicht nur eine Gefahr, sondern auch eine Chance ist.